OLG Frankfurt urteilt über Hausgeburt

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In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Frankfurt in einem Urteil vom 15.10.2013 (Az. 8 U 146/12) nochmals und mit klaren Worten darauf hingewiesen, dass es grob fehlerhaft ist, d. h. gegen elementare Grundsätze der Geburtshilfe verstößt, wenn eine Hebamme eine Risikogeburt im Rahmen einer Hausgeburt betreut.
Im zu entscheidenden Fall hatte die freiberuflich tätige Hebamme der werdenden Mutter angeboten, eine vaginale Entbindung aus Beckenendlage zu Hause durchzuführen. Dieses hat das OLG unzweifelhaft als schwerwiegenden Fehler und Fehlverhalten der Hebamme kritisiert.

Im Einzelnen führt das OLG unter Hinweis auf mehrere Sachverständigengutachten aus, dass bei der Entbindung aus Beckenendlage für das Kind ein höheres Risiko besteht, unter der Geburt eine Sauerstoffunterversorgung zu erleiden. Daher sei eine kontinuierliche CTG-Überwachung des ungeborenen Kindes erforderlich. Dieses sei gerade mit der Auskultation mittels Holzstethoskop nicht gewährleistet.

Darüber hinaus wird unter Hinweis auf die Empfehlungen der geburtsmedizinischen Fachgesellschaften vom Oberlandesgericht betont, dass bei einer vaginalen Beckenendlageentbindung sichergestellt sein muss, dass eine sofortige Sectio- und Anästhesiebereitschaft besteht, d. h. ein Kaiserschnittoperationssaal zur Verfügung steht.

Abschließend muss für eine gute und zeitnahe Versorgung des Neugeborenen nach Beckenendlage (ggf. nach Kaiserschnitt) die notwendige neonatologische Weiterversorgung und Behandlungsübernahme durch einen erfahrenen Neonatologen gewährleistet sein. Das OLG hat hervorgehoben, dass diese Voraussetzungen weder personell noch apparativ bei einer Hausgeburt erfüllt werden können. Expressis verbis führt das OLG aus, dass die Hebamme im vorliegenden Fall für die Übernahme einer Hausgeburt aus Beckenendlage nicht qualifiziert war.

Hierbei ist zu Recht im Urteil darauf hingewiesen worden, dass die Betreuung einer Beckenendlage durch die Hebamme im Rahmen einer Hausgeburt gegen § 1 Abs. 2 Ziff. 6 der Hebammen-Berufsordnung vom 27.03.1991 verstößt. Hierin ist geregelt, dass nur im Fall einer Notlage, die beispielsweise dann vorliegt, wenn die Beckenendlagegeburt ohne Voranzeichen und Wehenbeginn startet, von der Hebamme betreut werden darf. Die Hebammen-Berufsordnung sieht hierzu vor:

„Hebammen und Entbindungspfleger führen insbesondere folgende Tätigkeiten und Aufgaben in eigener Verantwortung aus: […]
6. Durchführung von Regelgeburten bei Kopflage einschließlich eines etwa erforderlichen Scheidendammschnitts oder das Nähen eines unkomplizierten Dammrisses sowie im Notfall die Durchführung von Beckenendlagegeburten […].“

Obwohl im Rechtsstreit intensiv und ausführlich darüber gestritten worden ist, ob die werdende Mutter hierüber aufgeklärt worden ist, hat das OLG keinen Zweifel daran gelassen, dass im Hinblick auf die klaren Vorgaben der geburtsmedizinischen Fachgesellschaften und der vorgenannten gesetzlichen Regelung, die Hebamme nicht berechtigt gewesen ist, die Entbindung aus Beckenendlage zu Hause zu versuchen und tatsächlich auch durchzuführen. Eine Notlage oder Notfallsituation lag nicht vor, da die Wehen bei der werdenden Mutter langsam und regelmäßig einsetzten.

Das OLG hat sehr anschaulich im Urteil herausgearbeitet, dass den werdenden Eltern klar und deutlich gesagt werden muss, dass eine vaginale Beckenendlage für das ungeborene Kind mit erheblichen Risiken verbunden ist, sodass tatsächlich nur im Notfall die Entbindung durch eine Hebamme durchgeführt werden darf. Das OLG führt ferner aus, dass die „Entwicklung eines Risikobewusstseins“ bei den Eltern erreicht werden muss (!). Nichts anderes wird auch in der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe beschrieben, die tatsächlich die Hausgeburt ablehnen (!).

Dreh- und Angelpunkt ist bei der Frage einer guten und erfolgreichen Geburtshilfe immer, dass die auch von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe formulierten Mindestanforderungen für geburtshilfliche Abteilungen erfüllt sind. Dieses bedeutet eben auch, dass für den Fall, dass dem Ungeborenen und/oder der Mutter gesundheitlicher Schaden drohen, sofort auf eine Kaiserschnittentbindung umgestellt werden kann.

Die moderne Geburtshilfe ist und bleibt damit auch nach dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts vor allen Dingen eine vorausschauende und protektive, d. h. „schützende“ Geburtsmedizin, die vor allem das Wohl des ungeborenen Kindes und der werdenden Mutter im Auge behalten muss. Wenn insoweit Gefahren drohen oder ein Risiko erkannt wird, ist die werdende Mutter in eine entsprechend leistungsfähige Geburtsklinik zu überweisen. Es endet damit eindeutig die Kompetenz der Hebamme.

Dr. Roland Uphoff, M.mel.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht


Kommentar im SPIEGEL

Ein treffender Kommentar von Manfred Dworschak über die Versicherungsproblematik freischaffender Hebammen findet sich in Heft 9/14. Dem ist nicht hinzuzufügen! Zum Artikel „Gemütlicher kreißen“.

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